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Lieber Ulli, deine Idee der bedingungslosen Liebe als Lösungsansatz für Konflikte halte ich zumindest für ausprobierenswert. Wo und wann da die persönlichen Grenzen einsetzen ( Stichwort Ängste) wird individuell verschieden sein und jeden "User" eine Definition dessen abverlangen. Zum Thema Angst habe ich mit mir folgende Erfahrungen gemacht. Jeder meiner Ängste liegt ein ganz spezifischer Schmerz zugrunde, den ich umgehen will. Flucht, Aggression und Lähmung sind mir wohlbekannt und überlagern auch kurzfristig den Schmerz. Die Frage nach der Linderung des Schmerzes ist für mich mit der Frage verbunden, wie ich lernen kann, mit diesem Schmerz umzugehen. Was ist dabei hilfreich und was nicht.Die Lösung liegt für mich nicht im der Schmerzumgehung, sondern eher in einer Art Schmerzdurchschreitung mit der immer wiederkehrenden positiven Erfahrung der eigenen Überlebensfähigkeit in einer gesunden Balance. Lieben Gruß

Michael

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Lieber Michael,

Danke für Deine Innenansichten zum Thema Angst.

Du nennst den Umgang mit Schmerz als Regulator im Umgang mit Angst. Das ist verständlich und dient der Selbsterhaltung. Du lässt dabei außer acht, dass Du nicht allein bist. Es gibt nicht nur Partner, Freunde und wohlgesonnene Kollegen, sondern auch die Angstauslöser wie uneinsichtige Partner, renitente Schüler, unnahbare Chefs, politische Widersacher und aggressive Nachbarn. Sie alle sind irgendwo Angst getrieben. Naturwissenschaftler haben dafür eine gemeinsame Ursache gefunden.

Angst begleitet uns von Geburt an das ganze Leben. Der erste Schrei eines Säuglings ist ein Angstschrei. Es ist die Angst zu sterben. Wärme mich, sonst erfriere ich. Füttere mich, sonst muss ich verhungern. In einem lesenswerten kleinen Taschenbuch „Biologie der Angst“ führt der Hirnforscher Gerald Hüther alle späteren Ängste im Leben auf diese Urangst zurück. Das einzige, was es uns möglich macht, mit unseren Ängsten umzugehen, ist Liebe.

Die chilenischen Neuro-Biologen und Philosophen Maturana und Varela kommen in ihrem Buch „Baum der Erkenntnis“ zu einem ähnlichen Schluss. Die soziale Welt, in der wir leben, ist immer eine Co-Konstruktion zwischen mir und dem anderen. Ob sie ein Dschungel des Überlebenskampfes ist oder ein Marktplatz des friedlichen Interessenausgleichs, liegt vornehmlich in unserer eigenen Verantwortung. Auf den anderen mit Fingern zu zeigen und zu verlangen, dass der sich ändern möge, ist ein sicherer Weg in den Dschungel. Daraus folgern die Chilenen, dass der Mensch zur Liebe verdammt ist. Die kann nur bedingungslos sein, sonst wäre es keine Liebe.

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Den ersten Schrei, lieber Ulli, würde ich als den Schmerzschrei eines unerfüllten Bedürfnisses beschreiben. Angst setzt für mich bewusste oder unbewusste Erfahrungen voraus und scheint mir im Falle des Babys eher eine Projektion der Erwachsenen zu sein. Die Liebe hätte in diesem Fall die Funktion, uneingeschränkt dem Schmerzensschrei des Babys nachzukommen und es zu stillen. Damit wäre der dissonante und subjektiv gefährliche Zustand des Babys aufgehoben. Angst wäre in diesem Falle für mich die versuchte Abwehr eines erneut auftretenden Schmerzes wegen unerfüllter Bedürftigkeit. Eine unbewusste Reaktion nach einer bereits gemachten Erfahrung. Damit kommt der Angst eine lebenserhaltende Schutzfunktion zu. Liebe ist selbstverständlich das Heilmittel schlechthin. Ich stimme dir zu, wir sind nicht allein auf der Welt und um uns herum wimmelt es von Liebestötern. Ich suche daher nach dem Schlüssel zur Entfaltung der eigenen Liebesfähigkeit. Hüther hat m. E. für sich die Berührbarkeit ausgemacht. Seinerseits gelingt es ihm auch immer mehr Menschen nicht nur zu informieren, sondern sie zu berühren. Berührung ist für mich immer auch eine zarte Annäherung an bestehenden Schmerz. Lieben Gruß Michael

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Lieber Michael,

Deinen Einlassungen kann ich ohne Wenn und Aber zustimmen. Allein der Begriff “Liebestöter” stört mich. Steht er nicht für das Grundübel aller zwischenmenschlichen Aggression?” - Wenn wir uns immer nur als Opfer fühlen und den anderen als Täter, kommen wir aus dem “Dschungel-Paradies” nicht heraus. Wenn wir Angst als das Grundmotiv aller Aggression verstehen, dann verschwimmt doch die Unterscheidung Opfer/Täter.

In der Familien- und Paartherapie hat man diese unheilvolle Verquickung verstanden und bemüht sich (sehr erfolgreich), das Opfer/Täter Denken aufzulösen . In der Rechtssprechung hat man das Schuldprinzip bei Ehescheidungen aufgegeben. Trotzdem ist man in der Gesellschaft und besonders in der Politik immer noch vom Opfer/Täter Denken beseelt. Dagegen aufzusprechen war mir ein Bedürfnis.

Wenn der Mensch nicht begreift, dass die Opfermentalität ihn auch zum Täter macht

und damit den Täter zum Opfer, darf er sich nicht wundern, wenn ihm der Kessel immer wieder um die Ohren fliegt.

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