Die Kritik, die in dem Titel dieses Artikels zum Ausdruck kommt, betrifft die Politik des Westens gegenüber Russland, die täglichen Akklamationen unserer Politiker, die Äußerungen so mancher „Experten“ und nicht zuletzt die Berichterstattung der Medien, die Millionen von Menschen einreden will, dass nur ein Sieg der ukrainischen Armee über den Aggressor Frieden, Freiheit und Demokratie für die Ukraine bringen wird. Vorweg möchte ich mit dem Scheinargument aufräumen, es gehe dem Westen um Moral und Recht. Das mag auf einzelne Politiker und Journalisten zutreffen und sicherlich für viele Menschen in unserem Land gelten, ist aber vor dem Hintergrund der Kriege, die die USA nach 1990 weltweit, teilweise mit unserer Unterstützung, geführt haben und immer noch führen, Heuchelei.
Die gezielten Tötungen mit Drohnen in Asien und Afrika, die unter dem Friedensnobelpreisträger Obama zur „Hochblüte“ gelangten, haben unzähligen unschuldigen Menschen das Leben gekostet. Das Gleiche gilt für die Luftkriege gegen Serbien 1999, gegen Libyen 2011 und die Kriege gegen den Irak 1991 und 2003 und in Afghanistan zwischen 2001 und 2021. Wenn man von der UN keine internationale Legitimation bekam, haben sich westliche Völkerechtler eine neue Rechtfertigung ausgedacht. Sie sind inzwischen in ein „Völkergewohnheitsrecht“ übernommen worden. Man darf Krieg auch ohne UN-Resolution führen, wenn es darum geht, Bevölkerungen vor Diktatoren zu schützen. Die hehren Begriffe, die diesen moralischen Anspruch rechtfertigen sollen, sind „Humanitarian Intervention“ und „Responsibility to Protect“. Dabei ging es in allen diesen Kriegen letztendlich um Interessen. Um welche Interessen es im Einzelnen ging und immer wieder geht (auch in der Ukraine!), soll hier nicht das Thema sein. Mir geht es darum aufzuzeigen, dass alle diese Kriege demselben politischen und militärischen Denkmuster folgten. Wenn Sie das verstehen, können Sie erkennen, warum man vielleicht Schlachten gewinnen kann aber nicht den Frieden. Am Beispiel des Ukraine-Krieges möchte ich das deutlich machen.
Alle Militärakademien der Welt lehren Clausewitz, auch die russische. Der Kernsatz im Hauptwerk des preußischen Generals, „Vom Kriege“, lautet: Krieg ist die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln. Das bedeutet, dass, bevor Herr Putin die russische Armee in die Ukraine geschickt hat, sein politisches Ziel feststand. Eine neutrale Ukraine. Er hat in allen Verhandlungen vor Ausbruch des Krieges deutlich gemacht, dass eine Eingliederung der Ukraine in das US geführte NATO-Bündnis vitale Interessen seines Landes verletzt. Das Ignorieren dieser Interessen hat ihn dazu bewogen, den ukrainischen und westlichen Verhandlungspartnern deutlich zu machen, dass er es ernst meint, indem er seine Truppen entlang der ukrainischen Grenze hat aufmarschieren zu lassen. Krieg ist ein Mittel der Politik (Clausewitz). Der Aufmarsch wurde von den USA wegen ihrer Weltraumfähigkeiten natürlich erkannt, was in der Absicht des russischen Präsidenten war. Die Regierungen der Ukraine und des Westens haben diese Kommunikation sehr wohl verstanden, wussten, was sie erwartete und haben sich darauf vorbereitet. In diesem Sinne war der Einmarsch der russischen Armee kein Überfall, sondern eine kalkulierte wohl verstandene Reaktion der russischen Seite, um ihr politisches Interesse deutlich zu machen, was man in den Verhandlungen nicht bereit war, ernst zu nehmen.
Auch die Reaktion des Westens muss man als kalkuliert annehmen. Militärische Unterstützung der Ukraine und die wirtschaftliche Isolierung Russlands mit allen Konsequenzen. Für die USA ein regionales Geplänkel, für Europa eine wirtschaftliche Katastrophe und für die Menschen in der Ukraine eine politische vor Allem aber eine menschliche. Die beiden letzteren wurden vom Westen politisch und medial ausgeschlachtet. Man unterstellt Herrn Putin, dass er ein Wahnsinniger sei, der von einem Großrussland träume und dass er Europa militärisch unterwerfen wolle. Die russische Operationsführung widerspricht allen diesen Unterstellungen, was mich zu der schwierigen, ich behaupte unmöglichen, Umsetzung von politischen Zielen mit Mitteln des Krieges bringt. Das gilt für die Russen, die Ukraine und für den Westen gleichermaßen.
US-Amerikanische Geheimdienstspezialisten waren sich einig in der Beurteilung, dass die militärischen Fähigkeiten der Russen viel mehr Zerstörung in der Ukraine hätten anrichten können, als die tatsächlichen Operationen offenbarten. Da stellt sich die Frage nach dem Ziel der Operationen. Das politische Ziel beantwortet sie. Das erreicht man nur durch Zugeständnisse bei Verhandlungen. Alle anderen Spekulationen sind aberwitzig. Es galt, die ukrainische Regierung dazu zu bewegen, den militärischen Widerstand aufzugeben. Das erreicht man nach russischer Einschätzung nur dadurch, in dem man die ukrainische Armee als Machtinstrument der ukrainischen Regierung ausschaltet. In ihrem Überlebenskampf hatte sich die in den Städten verschanzt. Nach anfänglichen blutigen Versuchen, sie dort zu stellen, hat die russische Seite diese Absicht aufgegeben. Durch westliche Militärhilfe, die nicht nur im Materiellen stattfindet, sondern auch konkret in der Einsatzführung (siehe „Amerikas Krieg“), findet jetzt ein „Shoot out“ im Grenzgebiet zur Ostukraine statt. Der moderne Krieg ist aber kein Duell. Panzerhaubitze 2000 gegen russische Artillerie-Systeme, US-amerikanische Stinger gegen russische KA 52 (Kampfhubschrauber) und SU 25 (Jagdbomber) oder Leopard 2 Panzer gegen den russischen T14 mögen simple Geister faszinieren, sie werden nie begreifen, was Krieg tatsächlich ist. Krieg ist der Einsatz von militärischen Fähigkeiten zu Land, zu Wasser, in der Luft und nicht zuletzt an der Informationsfront, um politische Ziele zu erreichen. Auf dem Schlachtfeld wird der gewinnen, der willens und fähig ist, länger zu bluten (wörtlich und im übertragenden Sinn) als der andere. Wer das weiß und den Krieg trotzdem führt oder aktiv unterstützt, mag am Ende vielleicht den Sieg davontragen. Den Frieden, der er bekommt, wird ein Friedhofsfrieden sein.