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Verweiblichung – Das Ende von Krieg?
"Gäbe es keine Kriege mehr, eine Nation würde verweiblichen"
Adna Chaffee, US-General; 14. April 1842 - 1. November 1914
In der Psychiatrie gilt der Satz „"Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." - Im Angesicht von zusammengenommen über 130 Millionen Kriegsopfern in den größeren Kriegen der letzten 200 Jahre (Wikipedia) könnt man meinen, dass die Welt auch heute noch von Wahnsinnigen regiert wird. Gleichgültig ob Diktaturen oder Demokratien, sie führen immer noch Krieg und glauben, dass Opfer und Aufwand sich lohnen. Vielleicht sollte man zum Internationalen Gerichtshof und dem Internationalen Strafgerichtshof eine Internationale Psychiatrie einrichten mit einer geschlossenen Abteilung auf der Insel St. Helena für unheilbare Wiederholungstäter. Wer Kriege führt oder sie unterstützt oder ihnen das Wort redet - dazu gehören Politiker, Generale, Vorstände der Rüstungsindustrie und Medienvertreter - sollte auf seinen Geisteszustand untersucht werden. Zwei Berufsgruppen habe ich vergessen. Juristen, die Kriege ihrer Auftraggeber für rechtens erklären und Wissenschaftler, die das Gewinnen im Krieg logisch herleiten wollen. Ein solcher Wissenschaftler ist der US-amerikanische Militärexperte Dr. Edward A. Smith. Der hat in seinem Buch „Effects Based Operations“ (US-amerikanische) Kriege untersucht und seine Lehren in einer mathematischen Formel zusammengefasst. Erfolg im Krieg ist das Produkt aus Kriegsmitteln (Soldaten/Waffen) und des politischen Willens, Krieg zu führen, zum Quadrat.
Erfolg im Krieg = Mittel x Wille ²
Ich erspare mir an dieser Stelle eine Reflexion darüber, was militärischer Erfolg ist und wie Streitkräfte aufgestellt und ausgerüstet sein müssen, um erfolgreich zu sein. Vor dem Hintergrund der verschwommenen politischen Ziele der Kriege des Westens nach 1990 bleiben Aussagen darüber nicht mehr als ein fragwürdiges Glaubensbekenntnis. Einsatz und Erfolg der NATO in den sogenannten Out of Area Einsätzen der letzten 30 Jahren sind meine Zeugen.
Ich möchte im Folgenden Ihre Aufmerksamkeit auf den Faktor „Wille“ lenken. In Bezug auf Krieg bedeutet er doch nichts anderes, als das man bereit ist zu akzeptieren, dass die eigenen Soldaten töten bzw. getötet werden. Politiker und Medien verschleiern immer wieder bewusst diesen schrecklichen wie einfachen Sachverhalt. Stattdessen erfindet man „Bedrohungen“ und bemüht Juristen und Medien, um durch das Herbeireden von Legitimität und Legalität den „Willen“ zum Krieg zu erzeugen. Im Angesicht der vielen Millionen von Opfern kann ernsthaft kein intelligenter Mensch mehr wollen, dass, aus welchen Gründen auch immer, Krieg geführt wird. Ich stelle daher die banale Frage: Wie lässt sich Krieg ein für alle Mal verhindern? - Wenn man die Gleichung des US-Experten benutzt, ist die Lösung ganz einfach. Man bräuchte nur den Erfolg anders definieren. Streiche: Erfolg im Krieg. Setze Erfolg im Frieden.
Erfolg im Frieden = Mittel x Wille ²
Wenn der politische Wille dazu da wäre, dann ginge der zum Quadrat in die Gleichung ein. Die Anzahl der Mittel, die für eine Friedenspolitik zur Verfügung stehen, ist auf jeden Fall größer als die der Kriegsmittel. Damit wäre der Erfolg im Frieden nicht nur der Gleichung nach eindeutiger als der im Krieg, sondern auch wirtschaftlicher und vor Allem nachhaltig. Wer Krieg vermeidet, verhindert den nächsten. Dass das nicht nur rechnerisch so ist, beweist die Geschichte. Der indische Herrscher Ashoka, Mahatma Gandhi und Willi Brandt, die der Friedengleichung gefolgt sind, seien hier als Beispiele genannt. Da stellt sich die Frage nach dem politischen Willen. Wenn der Verstand nicht ausreicht, um zu begreifen, dass zur Lösung von Konflikten Krieg nicht nur dumm, sondern unmenschlich ist, sollte man vielleicht das Gefühl entscheiden lassen. Womit ich bei der Verweiblichung wäre, die im Zitat des US-Generals als negative Entwicklung einer Nation zum Ausdruck kommt. Vielleicht ist das der Weg.
Die folgende kleine Geschichte aus dem amerikanischen Bürgerkrieg ist ein beeindruckendes Beispiel für Verweiblichung. Die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, das in den Krieg ziehen will. Ich habe die entscheidende Textstelle aus dem Englischen übersetzt.
Am nächsten Morgen war er in die Stadt gelaufen, die sich in der Nähe der Farm seiner Mutter befand und hatte sich bei einer Kompanie einschreiben lassen, die gerade aufgestellt wurde. Als er zurück nach Hause kam, molk seine Mutter gerade die buntgescheckte Kuh. Vier weitere standen abseits und warteten. „Ma, ich habe mich einschreiben lassen“, hatte er schüchtern gesagt. Für einen Moment war Stille. „Der Wille des Herren wird geschehen, Henry“, hatte sie geantwortet und dann fuhr sie fort, die buntgescheckte zu melken. Als er im Hausflur stand mit seinen Soldatensachen auf dem Rücken und das Leuchten der Aufregung und Erwartung in den Augen das Bedauern um das Loslassen des Zuhauses fast verdrängt hatte, wurden ihm zwei Tränen gewahr, die ihre Spur auf dem verhärmten Gesicht seiner Mutter hinterlassen hatten. Dennoch, er fühlte sich von ihr enttäuscht, hatte sie mit keinem Wort etwas über eine ruhmreiche Rückkehr mit seinem Schild oder auf seinem Schild gesagt. Er hatte sich im Stillen auf eine wunderschöne Szene vorbereitet und sich passende Sätze überlegt, die er der Rührung wegen gesagt hätte. Aber ihre Worte zerstörten seine Absicht.
Sie hatte beharrlich weiter Kartoffeln geschält und ihm dann Folgendes gesagt: „Sei vorsichtig, Henry und pass gut auf Dich auf. Glaube bloß nicht, Du könntest die gesamte Rebellenarmee mal eben so besiegen. Das kannst Du nicht. Du bist einfach nur ein kleiner Bursche unter vielen anderen. Halte einfach Deinen Mund und tue, was man Dir sagt. Ich weiß, wie bist, Henry. Ich habe Dir acht Paar Socken gestrickt, Henry und Dir Deine besten Hemden eingepackt. Ich möchte, dass Du warm und bequem angezogen bist, wie jeder andere in der Armee auch. Wann immer sie Löcher bekommen, möchte ich, dass Du sie mir schickst, damit ich sie flicken kann. Und sei vorsichtig bei der Wahl Deiner Freunde. Es gibt viel schlechte Männer in der Armee, Henry. Die Armee macht sie wild, und sie machen sich einen Spaß draus, junge Burschen wie Dich zu verführen, die eine Mutter gehabt haben, die ihnen nicht beigebracht hat zu trinken und zu fluchen. Halt Dich von solchen fern, Henry. Ich möchte, dass Du nie etwas tust, Henry, wofür Du Dich schämen würdest, wenn ich es wüsste. Denk immer so, als wenn ich bei Dir wäre. Wenn Du das beherzigst, wirst Du keinen Schaden nehmen. Und denke immer auch an Deinen Vater, Junge, er hat nie in seinem Leben einen Tropfen Alkohol getrunken und hat selten einen falschen Eid geschworen. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll, Henry, außer, dass Du, mein Kind, nie wegen mir ein Drückeberger sein darfst. Und sollte es einmal so sein, dass Du getötet wirst oder etwas Böses tust, Henry, denke nichts anderes, als das was Rechtens ist, denn viele Frauen müssen heute so etwas ertragen, und der Herr wird uns alle schützen. Vergiss nicht, was ich Dir wegen der Socken und Hemden gesagt habe, Kind; und ich habe Dir noch ein Glas Blaubeermarmelade in Deinen Rucksack getan. Ich weiß, dass Du sie am liebsten magst. Auf Wiedersehen, Henry. Pass auf Dich auf und sei ein guter Junge.
Unter der Qual dieser Rede war er natürlich ungeduldig geworden. Sie war nicht so, wie er sie erwartete hatte, und er hatte sie mit einem Hauch von Unsicherheit über sich ergehen lassen. Er machte sich auf den Weg mit einem vagen Gefühl der Erleichterung. Als er sich an der Pforte umdrehte und nochmal zurückschaute, hatte er seine Mutter zwischen den Kartoffelschalen knien sehen. Ihr braunes Gesicht, was aufschaute, war Tränen übersät und sie zitterte am ganzen Körper. Er senkte den Kopf und lief weiter, plötzlich voller Scham über seine Beweggründe. - (Stephen Crane, The Red Badge of Courage, Seite 5)
Das Beispiel lädt zu einem utopischen Gedanken ein. Wenn Mütter über Krieg oder Frieden das Sagen hätten, Krieg würde sehr schnell zu einem Auslaufmodell der Geschichte gehören. Daraus abzuleiten, dass eine Frauenquote in den Führungsetagen zur Kriegsverhinderung beitragen könnte, ist meines Erachtens zu kurz gegriffen. Es sind immer wieder auch Frauen, die Krieg als Mittel der Politik für legitim halten. Die damalige britische Premierministerin Frau Thatcher hat wegen ein paar unbedeutenden Felseninseln im Südatlantik Krieg geführt, der Milliarden britischer Pfund und 250 britischen und 800 argentinischen Soldaten das Leben gekostet hat. Frau von der Leyen (EU-Kommissionspräsidentin), Frau Baerbock (Außenministerin) und Frau Lambrecht (Verteidigungsministerin) unterstützen den Krieg in der Ukraine mit Wort und Tat, als hätte jemand den heiligen Krieg ausgerufen.
Unter Verweiblichung verstehe ich die Verinnerlichung von Attributen, die man der Weiblichkeit zuschreibt. Dazu gehören liebevoll, fürsorglich, weich und geduldig sein. Sie ist nicht auf ein Geschlecht reduzierbar. Das gilt nicht nur im Umgang mit den Seinen, sondern insbesondere auch bei der Auseinandersetzung mit Konfliktgegnern, im Privaten, in der Wirtschaft, in der Politik, überhaupt mit anders Denkenden. So etwas gibt es schon, mögen einige einwerfen. Es gibt die Achtsamkeit, die in Anlehnung an den Buddhismus in den westlichen Sozialwissenschaften Eingang gefunden hat. Sie trifft aber nicht das, was ich mit Verweiblichung meine.
Das Prinzip der Achtsamkeit basiert auf wissenschaftliche Erklärungen über die Beziehung von Körper, Geist und Seele und bietet Methoden an, wie man gesünder mit sich und anderen umzugeht, um Leiden zu vermeiden. Verweiblichung basiert auf bedingungsloser Nächstenliebe. Sie entzieht sich wissenschaftlichen Erklärungen und ist nicht über irgendwelche Methoden erlernbar. Im Übrigen steht Verweiblichung nicht im Gegensatz zu typisch männlichen Attributen wie Rationalität, Zielstrebigkeit und Durchsetzungsfähigkeit. Sie sind wichtig bei der Wahrung von Interessen gegenüber Konfliktgegnern. Auch sie darf man nicht auf ein Geschlecht reduzieren. Entscheidend ist, wie Frau oder Mann denkt und handelt, wenn sie oder er in der Verantwortung steht, über Krieg oder Frieden zu entscheiden. Wer Menschen liebt, wird immer seinen weiblichen Attributen folgen. In diesem Sinn möchte ich das Zitat des US-Generals umdrehen. Wenn eine Nation Verweiblichung verinnerlichen würde, es gäbe keine Kriege mehr.