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„There is no target in the whole of Iraq which is worth dying for!“ – „Es gibt im Irak kein einziges Ziel, für das es sich lohnt zu sterben!” – Das waren die Worte des Oberkommandierenden der alliierten Luftstreitkräfte, US Air Force General Horner, an seine Besatzungen zu Beginn des des zweiten Golkkrieges 1991 („Desert Storm“) zur Befreiung Kuweits von der Besetzung durch den Irak Saddam Husseins. Sie sollten Ihre Bomben wieder mitbringen, bevor sie das Risiko eingingen, abgeschossen zu werden. Solche Worte von einem General an seine Truppen zu Beginn eines Krieges sind ungewöhnlich. Sie sind ohne Pathos und einfach nur fürsorglich. Dieser Satz bekommt eine universelle Botschaft, wenn man das Wort „dying“ mit dem Wort „killing“ austauscht: „There is no target in the whole world which is worth killing for!“ Es gibt auf der ganzen Welt kein Ziel, das es wert ist, dass man dafür tötet. Dieser Satz sollte eigentlich das Herzstück aller westlichen Ethik sein. In allen demokratischen Verfassungen, in der Konvention der Menschenrechte und in der Charta der Vereinten Nationen steht geschrieben, dass jeder Mensch ein unantastbares Recht auf Leben hat. Seit dem Ende des kalten Krieges 1990 haben demokratische Staaten dieses Recht viele Male gebrochen. Im 2. Golfkrieg 1991 starben ca. 100 000 Zivilpersonen, davon 3500 durch den alliierten Luftkrieg. Im Kosovokrieg 1999 kamen 12 000 Zivilpersonen ums Leben, davon 500 durch den NATO-Luftkrieg. Im Afghanistankrieg Okt. 2001 bis Aug. 2021 starben 70 000 Zivilpersonen und auf jeder Seite 45 000 Soldaten und Kämpfer. Im Krieg um Libyen in 2011 starben 25 000 Zivilpersonen, davon 1100 durch den NATO Luftkrieg (Wikipedia). Die absoluten Zahlen variieren je nach Quelle, sind aber letztendlich unwichtig. Das Ungeheuerliche, das sich in diesen Zahlen spiegelt, besteht darin, dass man die Menschen verwundet und tötet, die man vorgibt, schützen zu wollen.
Die Scheinheiligkeit der sogenannten „Humanitarian Intervention“ und „Responsibility to Protect“ wird besonders deutlich, wenn klar wird, dass die „im Auftrag der Internationalen Gemeinschaft“ kriegführenden Staaten handfeste nationale Interessen verfolgten. Man könnte sie als Interessenmonster bezeichnen. Die USA und Russland bekennen sich offen dazu. In der National Security Strategy der USA von 2010 (Obama-Administration) heißt es auf Seite 22 unter „Use of Force“: The United States must reserve the right to act unilaterally if necessary to defend our nation and our interests … (Die USA nimmt sich das Recht heraus, auch auf eigene Faust zu handeln, um das Land und seine Interessen zu verteidigen …). Das Russland von Herrn Putin, das sich nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft als Teil dieser internationalen Gemeinschaft begreift, demonstriert gerade sein Monstertum durch den Einmarsch in die Ukraine.
Nun sind Interessen nichts Böses. Jeder Staat hat Interessen. Dazu gehören zum Beispiel die Verhinderung von Flüchtlingsmigrationen als Folge von Bürgerkriegen, der freie Zugang zu den Energieressourcen dieser Welt und sichere Grenzen. Entscheidend ist, wie ein Staat seine Interessen wahrnimmt. In dieser Frage herrscht seit 1945 weitverbreitete Schizophränie auf der Welt. Einerseits gilt sinngemäß bis heute der berühmte Clausewitzsatz. Krieg ist ein Mittel der Politik und unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt. Andererseits verbietet die Charta der Vereinten Nationen den Krieg und verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur friedlichen Konfliktlösung. Wenn ein Land angegriffen wird, darf es sich militärisch verteidigen (UN Charta Art. 51), muss aber den Angriff dem Sicherheitsrat melden. Dieser trifft dann die geeigneten Maßnahmen, um den Frieden wiederherzustellen, entweder durch friedliche Vermittlung (UN Charta Art. 6) oder durch Zwangsmaßnahmen einschließlich dem Einsatz von Waffengewalt (UN Charta Art. 7). Jeder der 5 ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat (USA, Russland, China, Gr0ßbritannien und Frankreich) kann eine Entscheidung durch Veto blockieren. Das wurde bisher als Lähmung der UN empfunden, und man hat Reformen gefordert.
Vielleicht braucht es aber gar keine neue UN, sondern nur eine Neubesinnung. Das Veto-Recht der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats könnte als eine Chance zur Vertrauensbildung gesehen werden. Gerade sie und ihre egoistische Interessenverfolgung sind allzu oft Verursacher der internationalen Probleme. Wenn sie vor einer Entscheidung des Sicherheitsrates zu einer Konfliktlösung ihre Interessen auf den Tisch legen und untereinander offen und fair abgleichen würden, wäre das der Beginn einer Neubesinnung. Die sollte sich auf zwei Ziele konzentrieren: Vertrauensbildung und Schutz von Leben. Die wichtigsten Bausteine dazu wären:
Souveränität der Mitgliedsstaaten
Staatsform darf kein Dogma sein
Internationales Recht gilt für alle
USA erkennen den Internationalen Gerichtshof sowie Strafgerichtshof an
Strategische Partnerschaften der Staaten des Sicherheitsrates mit Krisenstaaten
Keine Unterstützung für Bürgerkriegsparteien
Bei Art. 7 Einsätzen keine tödliche Gewaltanwendung
Auf diese Weise bestünde die Chance, dass die Angst voreinander aus dem internationalen System verschwindet und vielleicht eines Tages aus Interessenmonster Interessenpartner werden.