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Freitag, der 09.06.2023 Der ursprüngliche Titel „Ratgeber im Leben und im Krieg“ wurde heute geändert.
Gute Hollywood-Filme glänzen immer wieder auch durch ihre Dialoge und die Weisheiten, die darin verpackt sind. In dem Film Starwars ist es der Jedi Meister Yoda, der dem Helden der Geschichte, Luke Skywalker, folgenden philosophischen Rat gibt: Tu es, oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen. Diese Sätze haben für den Zuschauer zunächst einmal nur einen Bezug zur Handlung und werden häufig schnell wieder vergessen. Der eine oder andere wird später vielleicht über sie nachgedacht und mit Freunden darüber geredet haben. Sie haben nämlich durchaus auch einen Bezug zum wirklichen Leben, wie Weisheiten es so an sich haben. Eine klassische Situation, auf die der Spruch anwendbar ist, ist die Bewerbung für einen Job.
Sie sind nach etlichen vergeblichen Bewerbungsschreiben endlich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen worden. Trotz guter Referenzen und gründlicher Vorbereitung haben sie Zweifel. Es gibt sicherlich noch mehr Bewerber, und die haben vielleicht mehr Berufserfahrung als Sie. Und dann baut man sich das Hintertürchen: Ich versuche es mal. Wenn es nicht klappt, kann ich ja immer noch …. Diese Selbstzweifel nehmen Sie unbewusst mit ins Vorstellungsgespräch, was am Ende dazu führen kann, dass Sie den Job nicht bekommen. Warum das so ist, dafür gibt es verschiedene Erklärungsmöglichkeiten. Ein Esoteriker wird es über negative Schwingungen erklären, ein Verhaltenspsychologe über Auftreten, Körperhaltung, Mimik und Sprache und ein Neuro-Biologe durch Angst ausgelöste Adrenalinflüsse im Hirn, die eine lähmende Wirkung haben. Welche Erklärung die „richtige“ ist, ist eigentlich egal. Entscheidend ist zu begreifen, dass wir Versagen und Niederlagen einladen, wenn wir etwas nur versuchen, anstatt es zu tun. Ob das immer so ist, lässt sich empirisch schwer beweisen. Trotzdem kann man in der Yoda-Weisheit eine Logik erkennen, die an vergleichenden Bildern deutlich wird.
Ein Drahtseilartist, der sich anschickt, den ersten Schritt auf das Drahtseil zu tun, ein Skispringer, der sich in schwindelnder Höhe abstößt und in die Schanzen-Spur springt oder ein Formel 1 Rennfahrer, der in Startposition auf das Erlöschen der roten Ampeln wartet, sie alle sind von einem Gedanken beseelt: Ich tu es. Der Gedanke, ich versuche es, wäre nicht nur absurd, sondern könnte für sie und andere leicht in einer Katastrophe enden. Wenn man diese banale Erkenntnis auf das Entscheidungsverhalten von Politikern anwendet, könnte man eine Gänsehaut bekommen. Das gilt im Besonderen in der Außen- und Sicherheitspolitik.
In den Demokratien des Westens herrscht immer noch die weitverbreitete Ansicht, dass Krieg ein akzeptables Mittel ist, um politische Ziele zu erreichen. Der Legitimation wegen nennt man Kriegsoperationen der eigenen Streitkräfte heute nicht mehr Krieg, sondern Humanitäre Intervention. Es wird beteuert, dass militärische Gewalt immer nur das letzte Mittel der Politik (des Versuchens) sein darf. Im Folgenden möchte ich Ihnen ein paar Fakten vorstellen, die nahelegen, dass allen Kriegen, die der Westen nach Ende des Kalten Krieges geführt hat, „wir versuchen es mal“-Entscheidungen vorangegangen sind. Die USA und ihre NATO-Verbündeten haben in der genannten Zeit vier größere Kriege geführt. Ich stelle sie hier unter ihrem offiziellen Operations-Namen vor.
„Allied Force“ gegen Jugoslawien um den Kosovo (1999) „Enduring Freedom“ gegen die Taliban in Afghanistan (2001-2021) “Unified Protector” gegen Libyen (2011) ”Inherent Resolve” gegen den „Islamischen Staat“ (2014 – heute)
Alle diese Kriege wurden vornehmlich aus der Luft geführt. Bis auf kleine Gruppen von Spezialkräften, die die einheimischen Oppositionsgruppen berieten und unterstützten, kamen keine Bodentruppen zum Einsatz. Man wollte nur einen „kleinen Fußabdruck“ am Boden, um nicht nach einem aufwendigen und teuren Landkrieg die Verantwortung für ein zerbrochenes Land übernehmen zu müssen (Porzellangeschäft-Regel: „If you break it, you own it“, US-General Colin Powell). Als diese Kriege für beendet erklärt wurden, war kein einziges politisches Ziel erreicht worden. Sie hatten Tausenden von Zivilpersonen das Leben gekostet, Bürgerkriege angefacht und Flüchtlingswellen ausgelöst. Das Leiden und Sterben der Menschen ging und geht weiter, auf dem Balkan, in Nordafrika, in Westasien und auf dem Mittelmeer, und ein Ende ist nicht abzusehen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen sollten Politiker und Militärs nicht endlich aufhören, Kriege zu versuchen, sondern stattdessen sie „richtig“ führen, bis der Gegner aufgibt? –
Der letzte „richtige“ Krieg fand zwischen 1939 und 1945 statt, kostete 60 Millionen Menschen das Leben und endete mit dem Abwurf zweier Atombomben. Der Krieg, den wir gerade in der Ukraine erleben, ist kein „richtiger“ Krieg. Herr Putin hat die Porzellanladenregel von Colin Powell sehr wohl verstanden. Russische Militäroperationen in der Ukraine lassen keinen anderen Schluss zu. Man will das Land nicht erobern, sondern versucht, die ukrainische Regierung zu zwingen, russische Sicherheitsinteressen anzuerkennen. Damit ignoriert Moskau, wie seine westlichen Kontrahenten in der Vergangenheit, eine allseits anerkannte Grundregel des Krieges, die der preußische Militärphilosoph General Carl von Clausewitz aufgestellt hat. In seinem Werk „Vom Kriege“ heißt es sinngemäß: Krieg ist die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln und vom Wesen her die Anwendung äußerster Gewalt. Wer glaubt aus humanen oder anderen Gründen einen weichen Krieg führen zu können, wird ihn unnötig verlängern und am Ende mehr Opfer zu beklagen haben, als wenn er ihn konsequent seinem Wesen nach geführt hätte.
Fazit
Wenn man den „richtigen“ Krieg nicht führen will und das Versuchen den Krieg verlängert, noch mehr Opfer kostet wird und Zielerreichung in Frage stellt, was bleibt denn dann noch? – Meister Yoda weiß die Antwort. „Tu es nicht“!