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By Nick Ut, Associated Press - "1973 Photo Contest, World Press
Vielleicht kennen Sie das erschütternde Bild., das seiner Zeit um die Welt ging. Vietnamesische Kinder fliehen in Panik aus ihrem Dorf, das von südvietnamesischen Kampfflugzeugen mit Napalm-Bomben angegriffen wird, um vermeintliche Vietkong-Stellungen zu bekämpfen. Im Chaos der Kampfhandlungen gab es niemanden, der sich um die Kinder kümmerte. Besonders ein Mädchen, das schwere Verbrennungen erlitten hatte, brauchte dringend ärztliche Hilfe. Der amerikanische Fotograf, der die Aufnahme machte, hat es kurz entschlossen in seinem Privatwagen ins nächste Lazarett gefahren.
Bilder wie dieses flimmerten Tag für Tag über die Fernseher amerikanischer Haushalte. Das Leiden und Sterben von Zivilisten und nicht zuletzt das der eigenen Söhne sowie die unvorstellbare Gewalt eines Krieges quasi live mitzuerleben – er kostete 4 Millionen Menschen darunter 58 000 Amerikanern das Leben – versetzte die US-amerikanische Gesellschaft in Schock. Zuerst rebellierten Studenten. Dann griff der Widerstand auf das ganze Land über. Proteste gegen den Krieg nahmen in Städten teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände an. Sie führten schließlich dazu, dass der damalige US-Präsident Nixon (Republikaner) mit dem kommunistischen Nord-Vietnam in Friedensverhandlungen eintrat. Die führten 1973 zum Abzug der US-Truppen aus Vietnam. Der Krieg dauerte noch bis 1975 und endete mit dem Sieg des Nordens. Es brauchte Jahre und kostete im Rahmen von internen vietnamesischen „Reinigungsprozessen“ weitere unzählige Opfer unter der Zivilbevölkerung, bis Hass und Bitterkeit verblasten und zwischen dem einst verteufelten kommunistischen Vietnam und den USA Normalität eintrat. Heute fliegen amerikanische Rentner zum Golf-Urlaub nach Vietnam. Erstklassige Hotels in malerischer Umgebung locken mit ihren Golf-Anlagen, die zu den attraktivsten der Welt gehören. –
Wenn Sie das „Happy-end“ lesen, stellt sich doch die Frage: Musste bzw. muss erst ein mörderischer Krieg geführt werden, um zu einem glücklichen Ende zu kommen? Krieg ist kein Naturereignis, sondern wird von Menschen gemacht, und wir sind schon wieder dabei, einen neuen der blutigen Statistik von Kriegen hinzuzufügen. Da fragt man sich mit Pete Seegers, when will we ever learn. Ich möchte mit diesem Artikel ein bisschen zum Lernen beitragen. Der Vietnamkrieg soll dabei als Role Model dienen. Angefangen wurde er von den „alten,weisen Männern“, die in ihrem Denkmuster „Gut/Böse“ einbetoniert waren. Beendet wurde er vom Volk, das seinem Gefühl folgte.
Zwei Bedingungen haben dem Souverän in einer Demokratie ermöglicht, seine Macht auszuspielen. Eine freie Presse in Form von mutigen Kriegsberichterstattern, die sich ungehindert im Kriegsgebiet bewegt und unverblümt über die Schrecken des Krieges berichtet haben und zweitens, die Macht des Gefühls, die Menschen jenseits des Verstandes bewegt, wenn andere Menschen leiden müssen. Das sicherheitspolitische Establishment in den führenden Nationen dieser Welt, das immer noch nicht begriffen hat, dass Krieg eine untaugliche Option ist, um Interessen durchzusetzen, hat genau diese Lehren aus dem Vietnamkrieg im Sinne einer erfolgreichen Kriegsführung umgesetzt. Für seine Vertreter gibt es immer zwei Gegner in einem Konflikt. Den Feind und die eigene Bevölkerung. Es gilt zu verhindern, dass Letztere einem beim Siegen in den Rücken fällt.
In den Kriegen der Neuzeit haben westliche Streitkräfte inzwischen die eigenmächtige Bewegung von Journalisten im Kriegsgebiet unterbunden. Um dem Prinzip „freie Presse“ zu genügen, hat man den „embedded“ Journalisten geschaffen. Ausgesuchten Presseleuten der Mainstream-Medien wurde erlaubt, mit der Truppe mitzuziehen und direkt aus dem Einsatz zu berichten. So durften Journalisten der BBC die britischen Truppen, die in den Krieg gegen Argentinien um die Falkland-Inseln (1982) zogen, begleiten. Was sie zu sehen bekamen, hat der verantwortliche Kommandeur entschieden. Alle Berichte unterlagen einer Zensur. Die wesentliche war, dass erst drei Tage nach dem Kampfgeschehen veröffentlicht werden durfte. Der „embedded“ Journalismus ist inzwischen bei westlichen Streitkräften zu einer Standard-Einrichtung geworden. Eine andere Form der Kontrolle über die Berichterstattung aus einem Krieg ist das „Poolen“ von Pressleuten. Im Golfkrieg von 1991 (Desert Storm) wurden Journalisten vom zuständigen Presseoffizier der US-Streitkräfte in einem Bus zu ausgesuchten Bereichen der Kampfzone gefahren, nachdem der Einsatz vorüber war. Die offizielle Begründung dafür lautete, dass das Verfahren der Sicherheit der Journalisten diente. Außerdem könnten spontane und ungefilterte Veröffentlichungen aus dem Kriegsgebiet dem Gegner Einsicht in die eigenen Absichten geben und dadurch die Sicherheit der eigenen Soldaten und Operationen gefährden. Diese Argumente sind nachvollziehbar, verschleiern aber die Sicht auf den eigentlichen Grund der Zensur. Ungefilterte Informationen und detaillierte Horror-Bilder vom Kriegsgeschehen, die nicht zuletzt auch mögliche Kriegsverbrechen der eigenen Truppen offenbaren würden, könnten in der eigenen Bevölkerung zu einer Anti-Kriegsstimmung führen. Die Regierenden riskierten die Konfrontation mit dem eigenen Volk, die das Ende ihrer Macht bedeuten könnte. Sie wären gezwungen, den Krieg zu beenden und sich um Frieden zu bemühen. – Wäre das jetzt nicht das Gebot der Stunde in der Ukraine, den Krieg beenden und sich um Frieden bemühen?
Kritiker meiner Argumentation und Schlussfolgerung werden jetzt einwenden, dass der Aggressor gestoppt und bestraft werden muss. Der ist mit seinen Streitkräften völkerrechtswidrig in ein Nachbarland eingefallen und Verursacher der Not und des Leidens der ukrainischen Bevölkerung. Ich befürchte, dass eine solche Einstellung und die Handlungen, die sich daraus ergeben (Waffenlieferungen an die Ukraine und Durchhalte-Parolen), Not und Leiden der ukrainischen Bevölkerung vergrößern und verlängern werden. Solange beide Seiten glauben, sie könnten den Waffengang gewinnen, wird der Krieg mit all seinem Schrecken weitergehen. Frieden und Versöhnung rücken damit in weite Ferne (siehe Vietnamkrieg). In diesem Zusammenhang halte ich das Einnehmen von moralischen und juristischen Positionen zur Begründung eines harten Vorgehens gegen Russland für Heuchelei.
USA und NATO-Länder sitzen in einem Glashaus und werfen mit Steinen. Die USA erkennen für ihre Politiker, Soldaten und Beamten weder den internationalen Gerichtshof (International Court) noch das Internationale Gericht für kriminelle Straftaten gegen die Menschlichkeit (International Criminal Court) nicht an. Gleichzeitig fordern sie die Auslieferung eben an diese Gerichte von mutmaßlichen Straftätern anderer Länder. In ihrem Militär-Gefängnis auf Guantanamo Bay wurde jahrelang gefoltert. Regime-Change Kriege gegen Libyen, Irak und Afghanistan haben für deren Bevölkerungen viel Not und Leid gebracht. UN-Resolutionen und Internationales Recht waren die von Juristen gelieferten Feigenblätter. Europa hat zu all diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (was ist Krieg sonst?!) geschwiegen oder dabei mitgemacht. „Bündnistreue“ war der Weichspüler. – Genug der Klage. Es ist wie es ist. Das internationale System wird sich kurzfristig nicht ändern, aber wir als Bürger in der Demokratie können uns ändern. Kriege wird es noch eine Weile geben. Das können wir nicht verhindern. Wir können aber dazu beitragen, dass sie schnellstens beendet werden. Dazu braucht es Verstand, vor allem aber Gefühl.
Der Verstandesteil ist der schwierige. Wir brauchen im Konfliktgebiet Kriegsberichterstatter, die ohne Einschränkungen durch das Militär recherchieren und berichten dürfen. Ich bin überzeugt davon, dass es genug motivierte und mutige Journalisten gäbe, die dazu bereit wären. Der Gefühlsteil ist ein Selbstläufer, wie der Vietnamkrieg gezeigt hat. Wenn die Menschen zuhause täglich ungeschminkter Information und nackten Bildern vom Krieg ausgesetzt wären, könnten sie sich dessen Schrecklichkeit nicht mehr entziehen. Das Gefühl für die Leidenden würde den Verstand überfahren. Man würde nicht mehr gewinnen wollen, sondern nur noch, dass es aufhört.
Die Macht des Gefühls über den Verstand
Vom Flugabwehrpanzer „ Gepard“ bekommen die Ukrainer jetzt von uns 55 Stück. Bewerten sie mal diese Entscheidung mit dem Verstand und dem Gefühl.
Werden sie die Ukrainer einem Sieg näher bringen? Natürlich nicht! Weder haben sie ausgebildetes Personal, noch Erfahrung, noch ein Konzept. Das weiß man hier. Man will den Krieg für Putin so teuer wie möglich machen. Das bedeutet de facto ihn verlängern. Hier geht es doch gar nicht um Moral und Recht, sondern allein um Interessen. Die Opfer sind, wie immer, Zivilisten und junge Soldaten. Sie werden in Kauf genommen. Das nächste Gipfeltreffen der verantwortlichen Politiker auf allen Seiten sollte im Gerichtssaal des International Criminal Court stattfinden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Flugabwehrkanonenpanzer_Gepard