

Discover more from Ulrich’s Newsletter
Das Kriegsvölkerrecht, Heuchelei der Mächtigen
Freiheitskämpfer oder Terroristen, wer die Sprache kontrolliert, hat recht
Gemäß Kriegsvölkerrecht dürfen zivile Einrichtungen, Schutzzonen u.ä. nicht zu einem militärischen Ziel gemacht werden. Verletzt eine Kriegspartei das Sanktuarium solcher Einrichtungen und Gebiete, indem sie dort Waffen und Militärpersonal in Stellung bringt (z.B. Raketenabschussvorrichtungen oder Flugabwehrgeschütze), dann verlieren diese ihren Schutz-Status und dürfen „legal“unter Beschuss genommen bzw. bombardiert werden. Kommt es zu zivilen Opfern, sind die Verletzer der Sanktuarität in die Verantwortung zu nehmen und zu bestrafen. https://www.bmvg.de/de/themen/friedenssicherung/humanitaeres-voelkerrecht
Dieses Gesetzeswerk war für den klassischen konventionellen Krieg zwischen Staaten gedacht, wie die Vergangenheit ihn kennt. Für asymmetrische Kriege, in denen konventionelle Streitkräfte gegen Aufständische kämpfen, ist es untauglich. Letztere haben weder die militärischen Mittel noch eine entsprechende Infrastruktur, um gegen konventionelle Streitkräfte antreten zu können. Ihnen bleiben oft nur noch die Mittel des Terrors, um ihre legitimen politischen Ziele zu verfolgen. Befreiung und Selbstbestimmung. Beispiele aus der Geschichte sind die spanischen Guerillas, die die napoleonischen Besatzungs-Armeen in Spanien terrorisiert haben und die Vietminh von Ho chi Minh, die erst gegen die Japaner im zweiten Weltkrieg und danach gegen die französische Kolonialmacht für die Befreiung Vietnams gekämpft haben. Als die Franzosen dann endlich abzogen, formierte sich der Vietcong, um die Amerikaner aus Vietnam zu vertreiben. Der „War on Terror“ ist eine nie endende Geschichte, in der konventionelle Streitkräfte (hier der USA und ihrer westlichen Verbündeten) einen Interessenkrieg gegen die Chancenlosen führen, so dass denen nur noch der Terror bleibt, nicht um zu siegen, sondern das Feuer für ihre Sache am Brennen zu halten. In Palästina waren es zuerst die PLO unter Arafat, die den asymmetrischen den Kampf gegen Israel mit Terror geführt hat. Jetzt ist es die Hamas.
Die meisten kriegerischen Konflikte der Neuzeit führen das Kriegsvölkerrecht ad absurdum. Es wird von den militärisch überlegenden Staaten benutzt, um die legitimen Rechte der unterdrückten Bevölkerungen moralisch zu diskreditieren. Die werden durch ihre Ohnmacht in eine hässliche Kriegführung gezwungen. Wenn es den eigenen Interessen dient, werden sie als Freiheitskämpfer unterstützt, wenn es gegen die eigenen Interessen geht, werden sie als Terroristen gebrandmarkt. Im Kampf gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans hatte man Osama bin Laden unterstützt und später zum Weltfeind Nr. 1 erklärt.
Im Übrigen sitzen die scheinbar moralisch Überlegenden im Glashaus und werfen mit Steinen. Ihre Verletzungen des Kriegsvölkerrechts werden durch ihre Juristen und Kriegshistoriker „gerade gebügelt“. Ein Beispiel: Als während des zweite Weltkriegs bei den Vorbereitungen zu einem Massenangriff von Bombenflugzeugen auf Öllager am Stadtrand von Berlin der verantwortliche US General Spaatz von seinen Kommandeuren gefragt wurde, was das Ausweichziel sei, wenn Wolken die freie Sicht auf das Zielgebiet verhindern, hat der geantwortet: Downtown Berlin (das Stadtzentrum!) Im Angesicht von Ohnmacht greifen sie alle zum Terror. Der militärisch Mächtige bestimmt, was rechtens ist. Wer anderen ihre Verfehlungen vor Augen führen will, sollte zuerst bei sich selbst hinschauen.
Am Ende bleibt nur noch das Gewissen des Einzelnen. Es ist latent da und wird doch immer wieder nach Interessenlage diskreditiert. Ich würde mir wünschen, dass es zur bestimmenden Größe aller Politik wird, die das Wohl aller Menschen zum Ziel hat. Das Einstehen für die Existenz des Staates Israel und das Anmahnen des Rechts der Palästinenser auf menschenwürdige Selbstbestimmung in einem souveränen Staat ist kein Widerspruch. Der Weg dorthin kann nur über die kompromisslose Verurteilung aller Gewalt gehen (Herr Bundeskanzler!).